| BundesgerichtshofMitteilung der Pressestelle
 
 Nr. 96/2002
 
 
 :: Bundesgerichtshof läßt 
              Anwalts-Hotline zu
 Der u.a. für das Wettbewerbsrecht zuständige 
              I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, daß 
              weder das Rechtsberatungsgesetz noch das anwaltliche Berufs- und 
              Gebührenrecht einer telefonischen Rechtsauskunft durch Anwälte 
              über eine 0190er-Nummer entgegenstehen.
 Der Bundesgerichtshof hatte in zwei Verfahren zu entscheiden, in 
              denen die Betreiberin einer Anwalts-Hotline einmal von einer Rechtsanwaltskammer 
              und einmal von einer Münchener Anwaltssozietät auf Unterlassung 
              in Anspruch genommen worden war. Die Beklagte ist eine GmbH, die 
              für einen telefonischen Rechtsberatungsdienst auch am Wochenende 
              und außerhalb üblicher Geschäftszeiten wirbt. Rechtsfragen 
               so die Werbung  müßten nicht unbedingt in 
              einer Kanzlei besprochen werden; häufig reiche schon ein kurzes 
              Telefongespräch mit einem Rechtsanwalt. In einem der beiden 
              Fälle hatte die Beklagte mit zehn 0190er-Nummern für verschiedene 
              Rechtsgebiete geworben. Wählte man eine dieser Nummern, antwortete 
              ein Rechtsanwalt, der in dem betreffenden Gebiet einen Interessenschwerpunkt 
              hatte. Im anderen Fall gab es nur eine Nummer für alle Rechtsgebiete. 
              In der Werbung war ferner darauf hingewiesen worden, daß der 
              Anruf 3,60 DM pro Minute koste. Diese Gebühren werden über 
              die Deutsche Telekom eingezogen, die einen Anteil von 2,48 DM (zzgl. 
              MwSt.) an die Beklagte ausbezahlt. Die Beklagte leitet diese Gesprächsgebühren 
              an den jeweiligen Rechtsanwalt als Vergütung für seine 
              anwaltliche Leistung weiter. Die Beklagte erhält von den beteiligten 
              Rechtsanwälten eine monatliche Pauschale sowie einen bestimmten 
              Betrag für jede Zeiteinheit von dreieinhalb oder vier Stunden. 
              Hat ein Anwalt einen solchen Zeitblock bei der Beklagten gebucht, 
              werden alle in dieser Zeit über die fragliche 0190er-Nummer 
              eingehenden Gespräche unmittelbar an ihn weitergeleitet.
 
 In beiden Fällen hatten die Oberlandesgerichte 
               das Kammergericht in Berlin und das OLG München  
              ein Verbot ausgesprochen, allerdings mit unterschiedlichen Begründungen: 
              Das Kammergericht sah in dem Angebot der Beklagten einen Verstoß 
              gegen das Rechtsberatungsgesetz. Durch den Anruf komme ein Vertrag 
              zwischen dem Anrufer und der Beklagten zustande. Die Beklagte verspreche 
              eine Rechtsberatung, die nur Rechtsanwälte erbringen dürften; 
              ihr Verhalten verstoße daher gegen das Rechtsberatungsgesetz. 
              Das OLG München hatte das Angebot verboten, weil die Vereinbarung 
              der Zeitvergütung gegen geltendes Gebührenrecht verstoße. 
              Der Bundesgerichtshof hat beide Einwände nicht gelten lassen 
              und hat die Klage in beiden Fällen abgewiesen. Richtig sei, 
              daß eine Beratung durch die beklagte GmbH gegen das Rechtsberatungsgesetz 
              verstoße. Mit dieser komme aber kein Beratungsvertrag zustande. 
              Der Anrufer schließe mit dem Rechtsanwalt als seinem Gesprächspartner 
              und Ratgeber den Vertrag. Die Anrufer seien an einem Kontakt zu 
              einem Rechtsanwalt interessiert. Daher spreche alles dafür, 
              daß das in der Herstellung der Gesprächsverbindung liegende 
              Angebot zum Abschluß eines Vertrages an den Rechtsanwalt gerichtet 
              sei, der das Gespräch entgegennehme. Auch die gebührenrechtlichen 
              Bedenken des OLG München hat der Bundesgerichtshof nicht geteilt. 
              Zwar sehe die Gebührenordnung für den Regelfall eine streitwertabhängige 
              Vergütung vor. In außergerichtlichen Angelegenheiten 
              sei aber auch die Vereinbarung von Zeitvergütungen zulässig. 
              In den meisten Fällen liege eine Gebührenunterschreitung 
              vor, die berufsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Die Gebührenüberschreitung, 
              zu der es bei niedrigen Gegenstandswerten ab einer Gesprächsdauer 
              von zehn Minuten kommen könne, sei berufsrechtlich unbedenklich, 
              wenn der Mandant darüber informiert sei, daß die vereinbarte 
              Zeitvergütung zu einer höheren als der gesetzlich vorgesehenen 
              Vergütung führe. Es könne nicht angenommen werden, 
              daß die Rechtsbeartung über die 0190er-Nummern zu einer 
              systematischen Mißachtung der Gebührenordnung führe 
              oder darauf angelegt sei, daß der beratende Rechtsanwalt seine 
              beruflichen Pflichten verletze.
 
 Das in Rede stehende System berge Risiken 
              hinsichtlich der Qualität der anwaltlichen Beratungsleistung. 
              Es bestehe die Gefahr, daß dem Anwalt bei der gebührenpflichtigen 
              telefonischen Beratung nicht immer alle Umstände des Sachverhalts 
              mitgeteilt werden und ohne das häufig notwendige gründliche 
              Studium des Gesetzestexts oder eines Kommentars zu kurz kommen. 
              Diese Gefahr könne jedoch ein generelles Verbot nicht rechtfertigen. 
              Bei der Gesamtwürdigung hat sich der Bundesgerichtshof auch 
              veranlaßt gesehen, darauf hinzuweisen, daß ein Bedarf 
              der Bevölkerung an spontaner telefonischer Beratung über 
              Rechtsfragen des Alltags nicht zu verkennen sei.
 
 Urteile vom 26. September 2002  
              I ZR 44/00 und I ZR 102/00
 
 Karlsruhe, den 27. September 2002
 
 Quelle: www.bundesgerichtshof.de
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